Outing - Argumente für und wider den Schritt aus dem Dunklen

Der eine fürchtet, sich zu outen oder geoutet zu werden, der andere behauptet, sich schon geoutet zu haben. Was versteht man eigentlich unter "outen"?

Die SMler haben das Wort aus der Schwulenszene übernommen, die Bedeutung ist im Grunde die gleiche: sich zu outen bedeutet, sein Umfeld darüber zu informieren, dass man SMler ist. Aber wer oder was ist das Umfeld?

Man könnte es in drei Gruppen aufteilen:

  1. Der innere Kreis: Eltern, Geschwister, Großeltern, enge Freunde, also Leute, die eine Menge von einem wissen, zu wissen glauben oder glauben, wissen zu müssen.
  2. Die nähere Umgebung: Arbeitskollegen, Nachbarn, Leute, mit denen man sich über Gott, die Welt und das Wetter unterhält, aber nicht unbedingt über Intimes.
  3. Die breite Masse: Der Mensch auf der Straße, mit dem man im Allgemeinen bestenfalls einen Blickkontakt tauscht.

Wie man sich diesen verschiedenen Leuten gegenüber outet, mag sich voneinander unterscheiden.

Der innere Kreis

Wundern sich die Eltern über die dominante Art des Umgangs des Sohnes mit der Schwiegertochter? Entdeckt die Schwester beim Stöbern im Kleiderschrank das Lackbustier, das Halsband oder das brustfreie Latexkleid? Klickt der Freund auf deinem Computer eine Seite in deinen Favoriten an und wundert sich sehr? Dann ist es - vielleicht - Zeit für ein paar klärende Worte.

Möglicherweise reicht es, beiläufig zu erklären, dass man sich mit SM beschäftigt. Dann muss man sich darauf gefasst machen, dass das Gegenüber entweder verständnislos guckt - "SM? Was ist denn das?" oder fassungslos - "SM? Du bist ein Perverser?" Auch muss man damit rechnen, dass man ausgelacht, für unzurechnungsfähig erklärt oder verachtet wird. Wie weit und wie deutlich man seine Neigung, sein Zusammenleben mit dem Partner erläutert, ist Ansichtssache; hat man allerdings erst damit angefangen, sollte man damit umgehen können, dass der Andere neugieriger ist als einem lieb ist. Schließlich hat er nun einen Menschen vor sich, der sich mit dem geheimnisvollen Thema SM bestens auskennt, und wer weiß? Vielleicht liegt deine Neigung in deiner Familie?

Die nähere Umgebung

Man verlässt das Haus im Outfit, man besucht einen Stammtisch in einer öffentlichen Kneipe, bei dem jemand seine Brustklammernsammlung vorführt; man wird von einem Nachbarn oder Arbeitskollegen gesehen und schon hat man einen Grund, erklären zu müssen, warum man "so" herumläuft oder mit "solchen" Leuten zusammen ist. Sicher kann man abstreiten, dass man überhaupt etwas besonderes tut - man besucht ein Kostümfest, der Stammtisch besteht aus Motorradfahrern oder Heimwerkern.

Oder man sagt einfach, dass man gern Lack und Leder trägt und die anderen Leute da das auch tun. Was sonst noch dort vor sich geht, wo man eben hingeht, bleibt der Fantasie des Fragenden überlassen.

Die breite Masse

Vielleicht möchte man gern sein Halsband oder seinen Ring der 'O' in der Öffentlichkeit tragen. Für die meisten Menschen werden diese Dinge reine Schmuckstücke sein, spätestens seit es Lederhalsbänder in jedem Modeschmuckladen gibt und von Schauspielerinnen wie Pauley Perrette getragen werden und der Ring der 'O' bei H&M verkauft wurde. Oder man trägt ein T-Shirt mit einem provokanten Spruch, den nur Insider wirklich verstehen. Eine Gothic-Lady im Fledermauskleid mit schwarz geschminkten Augen und Lippen ist sicher auffälliger.

Muss Outing sein?

Definitiv nicht. Niemand muss seinem Gegenüber, sei es nun Vater, Freund oder Arbeitskollege, erklären, was er in seiner Freizeit tut, und erst recht nicht, wie sein Liebesleben aussieht. Erzählt die beste Freundin ungebeten, wie, wann und wo sie es mit ihrem Freund treibt und wie es ihr dabei geht? Plaudern Arbeitskollegen zwischen Fußballergebnissen und Büroklatsch über Sex-Praktiken und dabei verwendete Hilfsmittel? Eher nicht. Wieso sollten dann ausgerechnet SMler damit anfangen? Was in deinem Bett - oder an deinem Andreaskreuz - vor sich geht, ist deine Sache.

Andererseits bist du es vielleicht leid, dich zu verstecken. Bevor die Eltern zu Besuch kommen, wird die Wohnung mit der Lupe abgesucht, ob auch nichts herumliegt, bei dem Papa oder Mama dumme Fragen stellen könnten ("Oh, eine Gerte! Habt Ihr ein Pferd?"), die zwischen SMlern üblichen Wortspielereien haben zu unterbleiben (die Drohung "du kriegst heute noch Haue" könnte den Unwissenden veranlassen, die Polizei zu rufen), und wo man Samstagabend war, darf man auch nicht erzählen. ("Auf einer Party." - "Und? Was war?" - "Nichts.")

Wäre es da nicht einfacher, wenn Sohn mit einem Grinsen erzählt, er pflege seine Frau in der Ecke knien zu lassen, wenn sie nicht spurt? Wenn Sub seufzend behauptet, Abraham Lincoln habe alle Sklaven befreit, bis auf einen? Und dass man ausgerechnet nach Posemuckel auf eine Party fährt statt in die Disco um die Ecke, weil man dort seine Lieblingskleidung tragen kann und besondere Leute trifft?

Provokation?

Manche Leute sind so selbstsicher (oder so arrogant?), dass sie sich benehmen wie die Axt im Wald. Für sie ist SM nicht nur eine Bereicherung des Liebesspiels, eine Neigung oder eine Lebensweise, sondern das Nonplusultra, und darüber haben alle informiert zu werden, ob sie es wissen wollen oder nicht. Es ist nicht nötig, mit Peitschen herumzufuchteln oder Sub beim Nacken zu greifen und in die Knie zu zwingen, wenn "Stinos" (= Stinknormale) dabei sind. Solches Betragen ist nicht nur peinlich für die Anwesenden. Es diskriminiert die SMler im Allgemeinen auch als das, was sie nicht sein wollen - gewalttätige Verrückte.

Risiko!

Was hat man zu verlieren, wenn man sich outet? Die Liebe der Eltern? Die Gemeinschaft der Freunde? Die Achtung der Nachbarn? Den Arbeitsplatz? Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort; es kommt auf das persönliche Umfeld, die Mitmenschen jedes Einzelnen an. Wenn das aber so ist, sollte man es lassen. Schütze dein kleines Geheimnis, auch wenn es manchmal schwer fällt, wenn du Gefahr läufst, Menschen zu verletzen, die dir wichtig sind. Letztendlich ist SM, und wie du es lebst, deine Angelegenheit.