Learning by doing - Wie aus einem Kuscheldom ein Sadist wird

Eine dominante Ader zu haben, ist ja nicht weiter schwierig. Man stellt fest, dass man gern Befehle gibt, man hätte gern, dass sie befolgt werden, aber man hat auch nichts dagegen, wenn sie nicht befolgt werden, weil man dann so schön bestrafen kann. Manch einem ist die Dominanz in die Wiege gelegt worden - "Was ich sage, wird gemacht, und zwar am besten gestern" - und er freut sich, wenn er entdeckt, dass es Leute gibt, unter denen er nicht als Macho oder Chauvi gilt, sondern einfach nur als Dom. Der Bestimmer. Der, der sagt, wo es langgeht. Und dazu findet er unter diesen Leuten solche, die sich das gefallen lassen, ja mehr noch - die Spaß daran haben, Befehlen zu gehorchen (oder auch nicht), die bestraft werden wollen und sich der Dominanz beugen. Jedenfalls meistens.

 Die Dominanz im Alltag zu leben, ist die eine Sache. Erst schubst man seine kleine Schwester rum, später die Loser auf dem Schulhof, und noch später die Untergebenen am Arbeitsplatz (außer man hat das Pech und ist selbst ein solcher). Entweder haben die Leute Respekt oder sie zeigen einem den Mittelfinger - aber wer so richtig dominant ist, lässt sich solches Benehmen nicht gefallen. Zumindest nicht von jedem.

Die andere Sache ist aber nun, es mit einem Sub zu tun zu haben. Dieser ist mit Befehlen wie ""Räum mein Zimmer auf" oder "Geh mal Kaffee kochen" nicht lange zufrieden zu stellen. Und zur Strafe Barbie-Puppen die Köpfe abzureißen, wird Sub auch nicht wirklich als Demütigung ansehen. Dom muss also irgendetwas mit Sub anstellen, damit dieser sich richtig dominiert fühlt.


Sadistisch soll Dom auch noch sein?!

Möglich, dass Dom einen Sub erwischt hat, dem es reicht, zur Strafe stundenlang zu Füßen seines Doms zu knien. Allerdings steht zu befürchten, dass der Sub eine wenn auch klitzekleine masochistische Veranlagung hat. Dann könnte es sein, dass ihm der Schmerz, den das stundenlange Knien verursacht, nicht so ganz ausreicht.

Dass Strafe vorzugsweise aus Zufügung von Schmerz besteht, hört sich in der Theorie ganz sinnvoll an. Aber was, wenn Sub nicht bloß ein bisschen bestraft werden will, sondern tatsächlich Schmerz wünscht? Wenn Sub so richtig maso ist?

sm_peitsch

In der Fantasie hat Dom sich vielleicht vorgestellt, was er alles mit seinem Sub anstellen wird. Aber es kann gut sein, dass die Vorstellungen von Sub und Dom nicht ganz deckungsgleich sind. Sub hat Erwartungen, die Dom durchaus erfüllen möchte, und Dom stellt sich ein paar Fragen -

  • Was soll ich machen?
  • Wie soll ich es machen?
  • Wann mache ich zuviel?
  • Was mache ich verkehrt? Und:
  • Wie zum Geier soll ich das fertig bringen???

Zuallererst:

Es ist für einen nichtmasochistischen Menschen schwer vorstellbar, aber Sub genießt den Schmerz wirklich, sofern er masochistisch ist. Der Schmerz verursacht intensives Gefühl in ihm, den er - zumindest zum großen Teil - in pure Lust umsetzt. Es ist natürlich eine Kopfsache; Sub muss sich auf das Empfangen von Schmerz erst einstellen, einen Hammer auf den Daumen zu bekommen tut ihm genauso unangenehm weh wie jedem anderen Menschen. Aber den Schmerz von einem Partner zugefügt zu bekommen, den man liebt oder dem man wenigstens vertraut, ist erregend und befriedigend. Sub heißt den Schmerz willkommen und erfreut sich an ihm.

Auch der devote Sub nimmt den Schmerz hin, auch wenn er vielleicht keine sexuelle Erregung daraus zieht. Er möchte seinem Dom gefallen und sich seinem Willen beugen, also freut es ihn, wenn Dom daran Gefallen findet, ihn zu züchtigen. Dieser Sub möchte vielleicht eher weniger Schmerz haben - aber ohne Strafe käme er sicher nicht aus. (Ein Geheimnis: Manche Subs brauchen einen Grund, um sich Schmerz zufügen zu lassen. Auch wenn der Grund nicht wirklich ein Grund ist und Dom nur behauptet, es wäre einer.)

Es mag Dom schwer fallen, dem geliebten Menschen Schmerz zuzufügen - er möchte den Körper, an dessen Anblick er sich erfreut, nicht verletzen. Aber es liegt ein Unterschied im Zufügen von Verletzungen und körperlichem Schaden - darauf kann Sub gut verzichten - und Zufügen von momentanem, gewolltem Schmerz. Kein Dom wird sofort mit voller Wucht zuhauen - jeder muss erst lernen, wie sich Peitschen, Gerten, Klammern auf dem Körper des Subs anfühlen. Es schadet nichts, Sub danach zu fragen, auch während des Spiels, zumal wenn Sub und/oder Spielzeug neu sind. Zum anderen hat Sub sein Safewort, und Dom sollte sich darauf verlassen können, dass er es auch benutzt.

Auf Lustschmerz und BDSM How-to z.B. stehen viele Texte über Dinge, die man machen kann, zum Teil mit genauer Anleitung, und dort erfährt man auch, was man auf keinen Fall tun sollte und wie man Schäden verhindert. Es bricht dem Dom auch keinen Zacken aus der Krone, andere Doms zu fragen - aber nur solche, die nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern auch daran denken, dass der Sub ein menschliches Wesen ist. Selbstverständlichkeit? Von wegen. Nicht die Erfahrung macht den guten Dom aus. Der Mensch macht es.

Gut, wenn Dom an einen Sub gerät, der selbst noch nicht viel Ahnung hat. Dann kann man gemeinsam lernen und ausprobieren, was es alles für Sachen gibt, die Dom an Sub anwenden kann. Außerdem ist die Schmerzgrenze des Subs noch recht niedrig, und Dom muss nicht gleich allzu heftig an die Sache herangehen.

Aber auch wenn Sub ein bisschen mehr Erfahrung in Schmerzensdingen mitbringt, sollte Dom fragen, was Sub wünscht und wie. Natürlich ist Dom kein Erfüllungsgehilfe - aber er kann auch nicht erahnen, welche Art von Schmerz Sub schätzt und welche nicht. Der Sub im Allgemeinen möchte nicht immer nur sanften Schmerz haben - er möchte an seine Grenzen geführt werden. Es reicht ihm nicht, wenn es nur ein bisschen wehtut - es soll schon richtig wehtun. Also: langsam anfangen und stetig steigern - innerhalb von Wochen oder auch Monaten. Sich Zeit zu lassen, ist immer das Wichtigste - einmal angerichteter Schaden durch zu heftiges Spiel ist vielleicht nicht mehr zu beheben.

Sobald sich Sub darauf verlassen kann, dass Dom sich an Safeworte und Tabus hält, hat sich das mit dem Erfüllungsgehilfen ohnehin erledigt. Sub weiß, dass Dom ihn nicht "überfallen" wird, solange er wehrlos ist und sich nicht über Absprachen hinwegsetzen. Kein Sub wird sich einem Dom öffnen, dem er nicht vertrauen kann - erst das Vertrauen, die Nähe, das gemeinsame Verständnis von SM schafft die Grundlage für Wagnisse und das Ausprobieren von Neuem. Dann steht Dom Tür und Tor auf, seinem Willen freien Lauf zu lassen. Und dann kann auch Dom sich fallen lassen - er hat die Sicherheit, dass er Dinge tut, die seinem Sub gefallen, er muss keine Sorge haben, ihn unabsichtlich zu verletzen, und er wird die Freude daran entdecken, seinem Sub Reaktionen zu entlocken - lustvolle und qualvolle - , die er ohne Züchtigung niemals erleben würde.

Ist das nicht ein guter Grund, Sadist zu werden?