Beziehungs-Bondage - Liebe ist kein Garantieschein
Es gibt Leute, die von sich behaupten, sie seien als Singles rundum glücklich. Ab und zu suchen sie sich jemanden fürs Bett und/oder zum Spielen, aber eine feste Bindung kommt für sie nicht in Frage.
Andere leben in einer festen Beziehung, können mit ihrem Partner ihre Neigung aber nicht ausleben, weil dieser an SM so gar nicht interessiert ist. Weil sie diesen Partner lieben, suchen sie sich offen oder heimlich einen oder mehrere Spielpartner, mit dem sie ihre Neigung austoben können.
Und dann gibt es noch Leute, die das große Los gezogen haben. Sie haben jemanden gefunden, der sie liebt und den sie lieben, und der ihre Neigungen teilt. Diese Liebespaare unterscheiden sich in nichts von anderen Paaren, außer dass ihr Liebesleben sich ein wenig anders gestaltet.
Wirklich in nichts?
Eine Liebesbeziehung mit SM-Anteilen ist dem, was wir 24/7 nennen, sehr ähnlich. Man ist rund um die Uhr füreinander da, vertraut dem anderen Leib und Leben an und hat Grundsätzliches wie Vorlieben, Abneigungen und Tabus längst geklärt, sodass langwierige Vorverhandlungen vor jedem Spiel nicht mehr nötig sind und SM, in welcher Form auch immer, jederzeit spontan stattfinden und Dom über seinen Sub verfügen kann.
Wirklich jederzeit?
Von Vanille-Paaren wissen wir, dass sie nach einiger Zeit Probleme im Bett bekommen. Er hat Stress, sie hat Kopfweh, man hat simpel keine Lust mehr aufeinander. Man liebt sich und möchte beieinander bleiben, aber der Sex wird irgendwie immer weniger.
Uns SMlern kann so etwas nicht passieren. Wir haben doch unser spezielles Liebesspiel, den besonderen Kick, den Vanille-Paare niemals haben werden. Das allein wird schon dafür sorgen, dass uns die Lust aufeinander und der Spaß im Bett niemals ausgehen. Unsere Neigung ist für uns etwas Selbstverständliches, unser Verlangen nach SM etwas Natürliches wie Hunger und Durst und wird daher niemals verschwinden.
Wirklich niemals?
Lass mich, ich will nicht!
Es mag einen Unterschied im täglichen Leben geben zwischen Paaren mit devot-dominanter Neigung und solchen mit masochistisch-sadistischer Neigung.
Der devote Sub an sich zeichnet sich durch Unterwerfung und Aufgabe seines freien Willens aus. Das Wort "nein" sollte nicht in seinem Wortschatz vorkommen und zieht Bestrafung nach sich. Ist diese grundsätzliche Einstellung auf das tägliche Miteinanderleben übertragbar? Darf Sub Dom nicht zu Willen sein, wenn ihm nicht nach Unterwerfung ist? Muss Dom diese Weigerung hinnehmen oder mit Konsequenzen reagieren? Verwischen sich die Grenzen zwischen Session und Alltag völlig, wenn - und weil - man sich liebt, oder gibt es ein "bis hierher und nicht weiter"?
Der masochistische Sub an sich ist schmerzgeil. Er ist jederzeit an der Zufügung von Schmerz interessiert. Oder darf er diese ablehnen? Muss er sich rechtfertigen, wenn Züchtigung kein Lustgewinn, sondern nur lästig ist? Kann er die Hand wegschieben, die ihm sonst willkommenen Schmerz bereitet?
Zwischen einer Liebesbeziehung und 24/7 gibt es einen entscheidenden Unterschied. Ein Sub in einer 24/7-Beziehung hat sich bereit erklärt, Dom immer und überall zu Willen zu sein und alles hinzunehmen, was Dom mit ihm tun will. Die unbedingte Hingabe des Subs ist Voraussetzung, SM ist der erste Beweggrund, weshalb ein solches Paar zusammen ist, erst danach kommt das Gefühl. Bei einer Liebesbeziehung steht das Gefühl an erster Stelle, die Sorge um das Wohlergehen des anderen. Man ist nicht böse, wenn der andere etwas nicht möchte. Man verzichtet. Aus Liebe.
Hilfe, ich bin nicht pervers!
Man sieht es nicht kommen, man hat keine Erklärung, und man wundert sich selbst am meisten. Eines Tages stellt man fest, dass man keine Gelüste mehr auf das ganze perverse Zeug hat. Nicht nur an diesem Tag, sondern überhaupt nicht mehr. Plötzlich ist einem nach Kuscheln und Zärtlichkeit, während man früher von Haue und Bestrafung nicht genug bekommen konnte. Am Partner kann es nicht liegen, man hat ihn ja immer noch lieb, und er kann nichts dafür. Aber man mag einfach nichts Perverses mehr mit ihm tun. Die Neigung, welche auch immer, ist einfach weg, spurlos verschwunden, und man weiß beim besten Willen nicht, wo sie hin ist und wie man sie wiederbekommen kann.
Gründe dafür mag es einige geben. Sorgen, die einen nicht schlafen lassen, Krankheit und körperliches Unwohlsein, das einen Menschen vor "Gewalt" einfach zurückschrecken lässt. Oder vielleicht hat man es einmal einfach übertrieben, hat viel mehr gemacht bzw. machen lassen, als man machen wollte, sei es dem Partner zuliebe, weil man selbst nicht anders konnte oder weil man das Safewort einfach nicht über die Lippen brachte. Man verdrängt den Gedanken an dieses Spiel, und wenn man selbst schon nicht darüber nachdenkt, spricht man auch nicht mit dem Partner darüber, dass etwas schiefgelaufen sein könnte. Auf einmal mag man nicht mehr spielen, weil man fürchtet, dass so etwas noch einmal passieren könnte - man schreckt einfach vor dem Gefühl zurück, das der Schmerz, die Unterwerfung mit sich bringt.
Und jetzt?
Wie bringt man dem Partner bei, dass man plötzlich nicht mehr möchte? Dass die SM-Anteile im Liebesspiel, die vorher selbstverständlich waren, auf einmal nicht mehr stattfinden dürfen? Es hilft ja nichts - raus damit. Und zwar in einem Tonfall, dass er merkt, dies ist keine provokative Verweigerung, keine momentane Unlust, die mit ein bisschen Dominanz des einen und Unterwerfung des anderen schon wieder hinzukriegen ist. Es ist ernst, die Lust ist weg, und Zwang hilft in diesem Fall nicht. Aus dem hingebungsvollen Sub ist ein Kuscheltier geworden, da ist nichts zu machen.
Jedenfalls erst mal nicht. Die Zeit heilt alle Wunden, und vermutlich auch diese. So schwer es dem anderen auch fallen mag, auf das Spielen zu verzichten, nun ist erst einmal Kuscheln und Kuschelsex angesagt. Wenn man sich liebt, dürfte das nicht schwer fallen, zumal der unter der Un-Lust Leidende auf den Sex an sich vermutlich nicht verzichten möchte - er weiß nur vielleicht nicht mehr, wie man es überhaupt "ohne" macht. Zeit ist nun das wichtigste, und mit ihr Geduld - die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Lust am SM früher oder später wiederkommt. Man sollte einfach so tun, als würde man ganz vorn anfangen, vorsichtig, testend, Grenzen beachtend.