Devot - Ein Denkfehler
Zwischen manchen Subs und manchen Doms scheint es Meinungsverschiedenheiten zu geben, wie die Bedeutung des Wortes "devot" auszulegen ist. Anders ist es nicht zu erklären, dass es Verwirrung, Missverständnisse und sogar böse Streitereien gibt, wenn Dom meint, er habe es mit einem devoten Sub zu tun.
Wenn zwei SMler sich begegnen - im richtigen Leben oder im Chat -, wenn sie eine gewisse Sympathie füreinander feststellen und sich versichert haben, dass ihre Neigungen zusammen passen, beginnen sie, genauer nachzufragen. Was mag der eine, was mag der andere nicht? Man sollte meinen, dass hierbei auch über die Auslegung des Begriffes "devot" gesprochen wird. Immerhin bezeichnen sich 50% der Leser dieser Seite als devot. Diese werden doch wissen, was sie da von sich behaupten. Anscheinend aber ist die Bedeutung des Wortes für manche Menschen so unzweifelhaft, dass es keiner weiteren Definition und keines Gespräches bedarf - wer Sub ist, ist devot, wer devot ist, hat - dem Dom gegenüber - keinen eigenen Willen. Punktum.
Oder?
Worin besteht nun der Denkfehler zwischen Sub und Dom?
- Wenn Sub sich als "devot" bezeichnet, meint er: "Ich unterwerfe mich dir. Du kannst alles mit mir machen, was in deinem Willen liegt."
- Wenn Dom einen Sub als "devot" bezeichnet, meint er: "Du hast keine Widerworte zu geben, meine Entscheidungen nicht anzuzweifeln, keinen eigenen Willen mehr zu haben."
Auf den ersten Blick meinen beide Erklärungen ein und dasselbe. Der devote Sub ist unterwürfig, er überlässt seinem Dom die Entscheidungsfreiheit. Er stellt seinen eigenen Willen hintan. Er gibt sich hin, wehrt sich nicht, lässt geschehen. Das Wort des Doms ist für ihn Maßstab und Richtschnur - er wird ihm Folge leisten, so gut er kann, und sieht ein, dass Verfehlungen bestraft werden müssen.
Auf den zweiten Blick stellt man fest, dass diese beiden Aussagen sich nicht unbedingt auf die gleiche Sache beziehen müssen.
Möglicherweise redet Sub nur vom Spiel. Sub möchte passiv sein im Sinne von "nicht handeln müssen" - dies ist seine Auslegung des Wortes "devot". Möglicherweise ist er nicht (sehr) masochistisch; es reicht ihm, gedemütigt und/oder gefesselt zu werden, wehrlos zu sein. Er möchte sich dem Spiel hingeben, aber in der Sicherheit, dass ihm nichts geschieht, das er nicht möchte. Er möchte sich fallenlassen können in der Gewissheit, dass Dom zum einen weiß, was er tut und zum anderen Subs Tabus anerkennt. Er möchte wissen, was mit ihm geschieht, er möchte "Mitspracherecht" haben - und er möchte an seine Grenzen geführt werden. Im Spiel - jedoch nicht außerhalb. Im Alltag ist er selbstständig, äußert seine Meinung und erwartet, als gleichberechtigte Person anerkannt zu werden. Auf das Leben außerhalb der SM-Beziehung hat Dom keinen Einfluss, sofern Sub es nicht wünscht.
Dom sieht das möglicherweise anders. Er erwartet, dass keine seiner Entscheidungen hinterfragt werden, dass Sub jederzeit und immer gehorcht, dass er alles mitmacht, was Dom machen möchte. Tabus werden zwar anerkannt, aber Dom hat das Recht, außerhalb dieser Tabus bis an die äußersten Grenzen zu gehen, und wenn Sub das Spiel per Safewort abbricht, ist er fassungslos, dass Sub nicht unterwürfig - nicht devot genug ist, Doms Handlungen gegen seinen Willen, trotz seiner Schmerzgrenzen auszuhalten. Außerdem ist es für ihn selbstverständlich, dass Sub sich ihm auch im Alltag unterwirft, selbst wenn man nicht miteinander lebt und sich tage- oder wochenlang nicht sieht. Dom hat das Recht, jederzeit und überall über Sub zu bestimmen - eine eigene Meinung, eine selbstständige Lebensplanung steht Sub nicht mehr zu. Dafür braucht Dom nicht einmal einen Sklavenvertrag oder 24/7 - für ihn ist ein solches Verhalten eines "devoten" Subs offenkundig.
Hat Sub den Fehler begangen und am Anfang der Beziehung - oder besser schon bei ersten Gesprächen - nicht eindeutig klar gemacht, dass er nur im Spiel seinen Willen aufgeben möchte und nicht außerhalb, hat er es nun möglicherweise mit einem Dom zu tun, mit dem sich das Zusammensein etwas schwierig gestaltet.
Falls man sich nur an den Wochenenden sieht, mag Dom während der Woche telefonisch oder per Mail Anweisungen geben, die dieser hundertprozentig ernst meint, von denen Sub aber nicht glauben mag, dass er sie tatsächlich ausführen soll. Dom kann doch nicht wirklich verlangen, dass man seinen Verfügungen auch im "normalen" Leben Folge leistet? Doch, Dom verlangt es und sieht sich in seiner Würde gekränkt, wenn Sub es wagt, ihm nicht zu gehorchen. Ist Sub nun devot oder nicht?
Auch in der Session mag es Probleme geben. Sagt Sub, dass er dies oder jenes nicht möchte, nimmt Dom solche Aussagen nicht ernst und macht es trotzdem - und wundert sich anschließend, dass Sub nicht mehr "so" spielen möchte. Es geht über seinen Horizont und kränkt ihn persönlich, dass Sub überhaupt ein Safewort benutzt und nicht alles aushält, was Dom sich vorstellt. Natürlich liegt die Schuld an der daneben gegangenen Session bei Sub. Ein devoter Sub wehrt sich nicht, klagt nicht und gibt keine Widerworte.
Man mag solche Doms nicht als "Dummdoms" bezeichnen. Eher als etwas verbohrt und egoistisch. Gewiss hat Dom das Recht, nach einem absolut devoten, tabulosen Sklaven zu suchen, sofern er von einem solchen Sub träumt, aber er hat auch einzusehen, dass er diesen Sub in deiner Person nicht findet. Bist du an einen Dom dieser Sorte geraten, ist es besser, ein Ende mit Schrecken in Kauf zu nehmen, als Schrecken ohne Ende zu erleben - nicht nur körperliche, sondern auch seelische Qualen, von denen du genau weißt, dass du sie nicht verdient hast und nicht hinzunehmen brauchst. Wenn dieser Mensch nicht begreift, dass deine Definition von "devot" absolutes Gehorsam und Willenlosigkeit nicht mit einschließt, ist es nicht deine Schuld und schon gar nicht dein Versagen. Du brauchst dir nichts antun zu lassen, was sich ein Dom in seinen Fantasien ausgedacht hat, wenn es dir nicht zusagt. Such dir einen, der unter "devot" etwas anderes versteht als "Mund halten, Augen zu und durch".