Fern-Erziehung oder kann eine SM-Beziehung auf Distanz funktionieren?

Zunächst erst mal die Frage - was ist Distanz? Für den, der sich nur stundenweise aus seinem realen Leben in seine SM-Schattenwelt zurückziehen kann, können 100 km schon Distanz sein; der mit dem schnellen Auto stößt vielleicht bei 1000 km an seine Grenzen. Wie groß die Distanz zwischen zwei Partnern ist, ist eher zweitrangig. Hier soll es um Paare gehen, die sich nur gelegentlich sehen können und nicht zusammen oder nah beieinander wohnen. Unter "gelegentlich" verstehe ich vielleicht einmal im Monat oder noch seltener.

Distanz kostet zweierlei - Zeit und Geld. Sub mag sich fragen, ob es sich lohnt, am Samstagmorgen fünf Stunden zum Dom zu fahren und am Samstagabend wieder fünf Stunden zurück, für ein paar Stunden Spiel? (Üblicherweise fährt Sub zu Dom. Das ist einfach so. Sub begibt sich in die Hände des Doms, außerdem verfügt er über die entsprechende Einrichtung und das Spielzeug.) Sub hat in einer Fern-Beziehung ein Leben außerhalb der Beziehung, und es kann vorkommen, dass er an den Wochenenden, wenn Dom Zeit für ihn hätte, etwas anderes zu tun hat. Wo liegt die Priorität der Fern-Beziehung? Ist die Zeit mit dem Dom wichtiger als alles andere, oder kann man auch mal auf ein Treffen verzichten? Außerdem haben manche Leute nicht den finanziellen Spielraum, immer, wenn es möglich wäre, zum Dom zu fahren. Autofahren ist teuer, Bahnfahren auch, und so muss mancher schweren Herzens auf ein Treffen verzichten.

Die Entscheidung erleichtert wahrscheinlich die Antwort auf die Frage - was für eine Beziehung führe ich eigentlich?

  • Eine reine Spielbeziehung mit Vertrauen und Zuneigung auf beiden Seiten, aber ohne tiefere Gefühle, in der Dom vielleicht verheiratet ist, noch andere Subs hat oder du der Zweitsub bist?
  • Eine feste SM-Beziehung, in der ihr nur miteinander spielt, euch lieb habt und euch treu seid, die über SM aber nicht oder kaum hinausgeht?
  • Oder eine Liebesbeziehung, in der zufällig auch SM stattfindet?

 In einer reinen Spielbeziehung gibt der Dom gern klare Vorgaben, die Sub auf den ersten Blick einfach nachvollziehbar und leicht einzuhalten erscheinen.

  • Sub kommt zum Spielen, zum Bestraft- oder Erzogen- oder Geschlagenwerden, bekommt genau das, was er "bestellt" hat und wird vielleicht gefickt - je nach Absprache.
  • Dom ist ehrlich und verschweigt nicht, dass er noch einen anderen Partner oder andere Subs hat, und Sub beschwert sich nicht darüber. Sex hat Dom vielleicht nur mit seinem Ehepartner.
  • Sub stellt keinerlei Ansprüche an Dom, kann dafür aber auch kommen und gehen, wie es ihm passt.

Hört sich unkompliziert an, oder? Du sagst deinem Dom, wie du behandelt werden möchtest, und er gibt es dir, nicht mehr und nicht weniger. Weil du sicher sein kannst, dass du ihn wiedersiehst, kannst du dich auf das nächste Mal freuen. Du und dein Dom habt eine klare Absprache, und dass er außer dir noch mit anderen spielt oder verheiratet ist, kann dir egal sein. Es sind ja keine Gefühle dabei, also auch keine Eifersucht. Oder?

Du wirst dich deinem Dom unterwerfen, dich kontrollieren und demütigen lassen, du wirst ihn mit deinem Körper machen lassen, was ihm gefällt. Und du wirst es vermutlich genießen. Hier handelt es sich aber nicht um einen Skat-Abend, sondern um SM und/oder Sex. Du wirst vermutlich feststellen, dass du die Gefühle, die du während des Spiels empfunden hast, nicht so einfach abstellen kannst, wenn du dich auf den Weg nach Hause machst. Du willst es wieder haben, du willst es öfter haben, und du leidest unter dem Gedanken, dass da noch andere sind, mit denen er das tut, was er mit dir macht. Und dein Dom wird nicht begreifen, warum du unglücklich bist. Er wird dir per Mail oder ICQ sagen, dass du doch vorher wusstest, worauf du dich einlässt, und dass er dir nichts verschweigt. Er wird nach deinen Gefühlen fragen, weil ein guter Dom das so macht. Aber wird er sie verstehen können? Kann er nachvollziehen, dass du ihn nicht liebst, aber trotzdem Sehnsucht hast und eifersüchtig bist? Kann er verstehen, was SM mit dir macht? Und dass gerade die Kilometerzahl, die zwischen Euch liegt, das Ganze umso schmerzhafter macht?


In einer festen SM-Beziehung haben sich zwei gefunden, die einander sympathisch sind, die zueinander gehören und die sich lieb haben. Vielleicht hat einer von euch oder beide einen anderen Lebenspartner, der nichts von SM wissen will und/oder wissen darf. Ihr vertraut einander, aber Ihr wisst auch, dass Ihr niemals ein wirkliches Liebespaar werden könnt - Ihr könnt das Leben außerhalb Eurer SM-Beziehung nicht einfach aufgeben, aus welchen Gründen auch immer, oder Ihr wollt es nicht. Ein einziger Sub reicht deinem Dom, und sei es nur aus einem Grund - das Leben ist schon schwierig genug.

Als Sub in einer solchen Beziehung weißt du, wo du hingehörst - und zu wem du gehörst. Wenn dein Dom einen anderen Lebenspartner hat, weißt du, dass dieser Partner Eure Beziehung nicht gefährdet. Wenn du einen anderen Partner hast, weißt du, dass du deinem Dom genügst. Ihr werdet Euch treffen, wann immer ihr könnt, und mit der Zeit lernst du, dein Leben zwischen deinen beiden Partnern aufzuteilen. Du hast dich damit abgefunden, dass dein Lebenspartner bzw. der deines Doms eine wichtige Rolle spielt und sich nicht einfach in Luft auflösen wird. Du genießt die Zeit mit deinem Dom, du kannst dich fallen lassen, und wenn du wieder nach Hause fährst, kannst du dein Leben außerhalb deiner SM-Beziehung leben, ohne glauben zu müssen, jeden Moment wahnsinnig zu werden.

Oder? Oder bist du mit deinen Gedanken ständig bei ihm, suchst nach einem Ausweg, wie du dein und sein Leben doch noch zusammenbringen kannst und weißt doch, dass das nicht möglich ist, ohne anderen Menschen Schaden zuzufügen, die es nicht verdient haben? Bist du weder zu Hause noch bei deinem Dom ganz bei der Sache, weil du deine Gedanken einfach nicht abschalten kannst? Dein Verstand sagt dir, dass du mit dem, was du hast, zufrieden sein solltest. Dein Herz, deine Seele und dein Körper sind zerrissen und leiden, und niemand kann dir die Entscheidung abnehmen, ob du nun weiter in dieser Situation leben willst oder nicht.


Man sollte meinen, in einer Liebesbeziehung, in der zufällig auch SM stattfindet, sollte es keine Hindernisse geben, zusammenzuziehen und miteinander zu leben. Aber es gibt diese Hindernisse - solche, wie es sie in jeder Liebesbeziehung gibt, und solche, die mit SM zu tun haben.

Was kann ein Liebespaar daran hindern, nach angemessener Zeit - einem halben Jahr oder einem ganzen - zueinander zu ziehen? Vielleicht hat man Eltern, die man nicht allein lassen kann. Vielleicht sind da Kinder, die man nicht aus ihrem Umfeld reißen möchte. Vielleicht findet man da, wo der Liebste wohnt, keinen Job, wie man ihn gerade hat. In diesem Fall führt man eine Wochenend-Beziehung. Und größer darf der Abstand des Zusammenseins kaum sein - und das bedeutet, dass die Distanz einen gewissen Rahmen nicht überschreiten darf. Man kann sich vielleicht in jemanden verlieben, der weiter entfernt wohnt - aber das Verliebtsein wird schnell zum Teufel gehen, wenn man sich nur jeden Monat sieht. Man wird sich schweren Herzens trennen, weil man einsieht, dass diese Liebe keine Zukunft hat.

Oder ist es gerade der SM-Anteil in der Beziehung, der einen zögern lässt? Sieht man in seinem Umfeld, wie oft "solche" Liebesbeziehungen auseinander gehen, weil Sub oder Dom mit den zuvor getroffenen Vereinbarungen nicht mehr zurechtkommen? Weil Sub oder Dom sich sm-mäßig in eine Richtung entwickeln, mit der der andere nicht leben kann? Dann darf Sub seine Sachen packen und in sein altes Leben zurückkehren, nicht ohne mit dem Spott seinen früheren Umfelds rechnen zu dürfen - "siehst du, ich habe dir gleich gesagt, dass das nicht gut gehen kann. Mir hat dieser Mensch gleich nicht gefallen. Diese Lebensart ist doch pervers, sei froh, dass du da raus bist".

Also entscheidest du dich, nicht mit deinem Dom zusammenzuleben - oder du bist einfach zu feige, deine Bedenken über Bord zu werfen. Du siehst ihn an den Wochenenden, du bist glücklich, wenn du mit ihm zusammen bist, und während der Woche versuchst du, deine Sehnsucht unter Kontrolle zu halten. Dass du dich nach deinem Liebsten sehnst, ist aber nur eine Seite der Medaille.

Die Zeit an den Wochenenden ist zu kurz, um Probleme zu wälzen. Du willst die wenige Zeit, die ihr habt, nicht damit verschwenden, darüber zu reden, welche Sorgen SM dir bereitet. Du willst die Zeit einfach nur genießen, und du gehst davon aus, dass es deinem Dom genauso geht. Also hältst du den Mund, behältst deine Gedanken für dich, und während der Woche bist du damit ganz allein. Es muss ja nicht einmal etwas wirklich Schwerwiegendes sein - aber du bist Sub, stellst deinem Dom deinen Körper und deine Seele zur Verfügung, und du machst dir Gedanken - Gedanken, für die du selbst keine Worte findest. Und selbst wenn du formulieren könntest, was dich ängstigt und verstört - deine perversen Fantasien vielleicht, oder die Spuren und Schmerzen, die dein Körper davonträgt, noch lange nach dem Spiel - dein Liebster ist nicht da, um dich dazu bringen zu können, sie auszusprechen. Du bist glücklich in deiner Beziehung, aber du leidest - und mehr als das, du bist selbst an deiner Lage schuld. Und das weißt du auch.


 Kann eine SM-Beziehung auf Distanz funktionieren? Ja, sie kann. Wenn man es hinbekommt, seine Sehnsucht unter Kontrolle zu halten, wenn man versucht, sich nicht allzu abhängig zu machen, wenn man seine Gefühle im Zaum hält. Aber - will man das? Und wenn ja, wie lange kann man das?

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