Raus aus der Schublade - wenn Dom seinen Sub nicht wieder erkennt

Der Mensch unterliegt Veränderungen, aber er macht nicht immer den Mund auf, um diese seiner Umwelt mitzuteilen - sofern er selbst in Worte fassen kann, dass er sich verändert. Dom glaubt, seinen Sub und seine Reaktionen zu kennen, und er glaubt, das Ausmaß des Devotismus oder Masochismus seines Subs einschätzen zu können. Daher mag er verwundert reagieren, wenn Sub sich - zumindest für Dom - aus heiterem Himmel anders verhält.

  • Bisher reagierte Sub lustvoll auf Schläge oder anderen Schmerz, und Dom konnte deutlich spüren, wie sehr Sub durch den Schmerz erregt wurde. Wenn Sub nicht danach war, benutzte er das Safewort, oder er machte zumindest hinterher deutlich, dass es diesmal ein bisschen zuviel war.
    Nun kommt auf einmal kein lustvolles Stöhnen mehr, sondern gar nichts. Sub lässt den Schmerz zu, aber er scheint ihn nur noch zu ertragen; von früherem Genuss scheint nichts mehr da zu sein. Seine Reaktion besteht bestenfalls aus Tränen, ansonsten leidet Sub still vor sich hin. Dom ist einigermaßen erstaunt, wenn nicht gar erschrocken, und möchte das Spiel am liebsten abbrechen, aber damit ist Sub nicht einverstanden.
  • Oder aber Dom konnte bisher sicher sein, dass sein Sub alles brav mitmacht, gehorsam und willenlos, wie er war. Nun heißt "nein" plötzlich wirklich "nein". Sub teilt mit, dass es zu viel war, dass er es so nicht genießen kann. Der überraschte Dom bekommt zu hören, dass Sub diese oder jene Spielart nur Dom zuliebe mitgemacht hat, und damit sei jetzt Schluss.

Hallo?

Wie gesagt, Sub verändert sich. Am Anfang, wenn er lernt zu begreifen, dass er auf die passive Seite gehört, sucht er sich eine der "Schubladen" aus, in die wir SMler uns nur allzu gern stecken und stecken lassen. Er liest eine Menge, wie der "devote" oder "masochistische" Sub zu sein hat, und wenn er glaubt, das eine oder andere zu sein, passt er sich dem an. Er stuft seine Wünsche als unerfüllbar ein, weil ein devoter oder masochistischer Sub dies oder jenes eben nicht tut oder nicht zu tun braucht oder nicht tun darf.
 Hinzu kommt noch die Erwartungshaltung des Doms. Dieser sucht sich seinen Sub nach dessen Neigung aus, und er wünscht, dass dieser sich so verhält, wie es der allgemeinen Definition entspricht. Dahinter steckt keine böse Absicht. Nur mangelnde Kommunikation und Voraussetzen einer angenommenen Tatsache. Es würde ihm nicht in den Sinn kommen, seinen Sub plötzlich völlig anders zu behandeln, weil dies nicht seiner Neigung entspricht.


Mit der Zeit lernt Sub, dass mehr in ihm steckt. Er wächst über die Definition, das Klischee, die Schublade hinaus. Er will anders spielen, anders behandelt werden, und er wäre ihm am liebsten, wenn sein geliebter Dom von allein darauf kommt. Leider findet er die Worte nicht, ihm mitzuteilen, dass er andere Wünsche als zuvor hat, weil er selbst nicht weiß, was da auf einmal mit ihm los ist, wo er doch bisher mit der Art zu spielen zufrieden war.
Oder er traut sich einfach nicht. Er will das Risiko nicht eingehen, dass sein Dom frustriert reagiert, etwa mit den Worten "ich dachte immer, unser Spiel gefällt dir". Sub weiß nicht, wie er seinem Dom erklären soll, dass er keine Wendung um 180 Grad vollziehen will, sondern nur etwas mehr, etwas Neues. Dom hat alles richtig gemacht, sofern und gerade wenn er sich an frühere Abmachungen gehalten hat. Und trotzdem - Sub hat festgestellt, dass ihm etwas fehlt, und er wünscht sich, dass sein Dom diese Lücken ausfüllt. Im schlimmsten Fall geht Sub das Risiko ein, dass Dom die Beziehung beendet, wenn er sich nicht vorstellen kann, über seinen Schatten zu springen, seine eigenen Neigung zurückstellen - oder seine Schublade zu verlassen.

Und nun?

Wie sollte, wie kann Dom reagieren, wenn ihm auffällt, dass sein Sub unvermutet anders reagiert als zuvor, wenn er das Spiel unerwartet abbricht oder eben nicht? Das Naheliegendste ist - nachfragen und zuhören. Natürlich könnte er so weitermachen wie bisher, aber ist ihm an einem Sub gelegen, dem das Spiel keinen rechten Spaß mehr macht, weil ihm irgendetwas fehlt und sei es "nur" die Verwirklichung seiner Sehnsüchte? Nein, der Dom an sich ist kein Erfüllungsgehilfe, und der Sub an sich weiß das auch. Sub will keinesfalls anweisen oder vorschreiben, wie gespielt wird. Wenn Dom die Wünsche nicht erfüllen will, auch gut. Dann wird eben weiter so wie bisher gespielt, und Dom hat einen Sub, der nicht völlig zufrieden ist. Wenn ihm das genügt, braucht er nicht nachzufragen, was denn mit Sub los sei.

Ist Dom aber daran gelegen, dass sein Sub mit Freude spielt und die gemeinsame SM-Beziehung voll und ganz genießt, sollte er vielleicht darüber nachdenken, ob das, was Sub sich vorstellt, für ihn selbst wirklich rundweg utopisch ist. Ist es völlig unmöglich, dass Dom Sub schlägt und Schmerzen zufügt, ohne dass dieser lustvoll reagiert, sondern einfach nur leidet? Ist es undenkbar, dass Sub offen ausspricht, was er mag und was nicht? Muss Sub eine bestimmte Reaktion "liefern", ohne die Dom das Spiel nicht genießen kann? Ist Dom so unflexibel?
Oder könnte es sein, dass er selbst Spaß daran findet, wenn er auf seinen Sub eingeht und sich auf eine andere Art zu spielen einlässt? Und wenn der Spaß nur darin liegt, zu sehen, wie sein Sub sich windet, leidet, jammert und sich nicht wehrt bzw. seine Meinung äußert und nicht länger völlig willenlos ist? Sollte Doms Ziel nicht darin liegen, einen zufriedenen Sub zu haben, auch wenn er dafür seine Schublade verlässt?

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